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Trauerarbeit


Trauer

       Nachruf: Lebe wohl, Silvia!

       Buchbesprechnung: "Ich sterbe aber die Erinnerung bleibt", Henning Mankell

      Sterbephasen nach Kübler - Ross

      Trauerphasen nach Verena Kast

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Trauer

Trauer sieht äußerlich der Depression sehr ähnlich und fühlt sich auch innerlich so ähnlich an. Sie ist aber eine „gesunde“ Reaktion unseres Organismus auf einen schweren Schicksalsschlag, auf Tod oder Trennung.

Trauernde Menschen haben wenig Interesse an ihrer Umwelt,  sind verletzlich und leicht erschöpft, energie- und kraftlos. Die Trauer beeinträchtigt das geordnete Denken und die Konzentration und führt häufig zu Magen- Darmstörungen, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit.

Der qualitative Unterschied zur Depression zeigt sich in der Trauerarbeit. Menschen die Trauerarbeit leisten, können das Gute aus der alten Situation integrieren und sich dem Neuen zuwenden. Die Trauerarbeit ist einem ganz typischen zeitlichen Ablauf unterworfen, dem Trauerprozess.

* Die erste Phase des Trauerprozesses ist durch Verleugnung und Protest gekennzeichnet. Der Trauernde tut so als wäre alles noch beim Alten. Das Bett des Verstorbenen wird regelmäßig überzogen, seine Lieblingsspeisen werden gekocht, die Anzüge gelüftet usw.

* Die zweite Phase ist durch Verzweiflung geprägt. Das emotionale Chaos bricht aus: Schmerz, Schuldgefühle, Angst, Wut, Sehnsucht und Vorwürfe wechseln einander ab.

* Die dritte Phase dient dem Abschiednehmen und der Akzeptanz des Unabänderlichen. Dadurch, dass eine tiefe innerliche Beziehung zum Verstorbenen entsteht, wird es möglich sich wieder vermehrt der Außenwelt zuzuwenden.

* Die vierte Phase spiegelt die Wieder-Hinwendung zur Welt. Die trauernde Person kann wieder neue Beziehungen knüpfen und vertraut sich wieder dem Fluss des Lebens an.

In vielen Kulturen (in meiner Kindheit auch noch bei uns) ist oder war es üblich, dass ein Trauerjahr eingehalten wird. Durch schwarze Kleidung, Strümpfe, Armschleifen oder Kopftücher zeigten die Menschen, dass ihre Seele Trauer trägt und jeder respektierte, dass sie daher an gewissen Vergnügungen nicht teilnahmen. Dieses Brauchtum hat sich weitgehend auch auf dem Land bereits aufgelöst und der schützende Raum für die Trauer fällt mehr und mehr weg. Ganz besonders tragisch ist das bei geschiedenen Frauen und Männern, die einen ebenso großen Verlust erlitten haben und sich danach auch noch zufrieden zeigen sollen, dass ihre schlechte  Ehe endlich geschieden ist. Kaum jemand versteht, wie wichtig es für Geschiedene ist, ihren gescheiterten Lebenstraum zu betrauern.

Der natürliche Trauerprozess, der gewöhnlich ein Jahr dauert, passt kaum noch in unsere hektische funktionalistische Welt. Weder Vorgesetzte noch Freunde haben in den meisten Fällen ausreichende Geduld für den trauernden Menschen, manchmal auch dieser selbst nicht. Häufig werden gesund trauernde Menschen pathologisiert und mit Medikamenten wieder funktionstüchtig gemacht. Dadurch kann es wirklich zu Krankheiten kommen, auch zur ursprünglich falsch diagnostizierten Depression.

Der Trauerprozess braucht Zeit. Der ganze Jahreszyklus mit Weihnachten, Ostern, Geburtstagen, Urlaub usw. muss mindestens einmal allein durchlebt werden um den Trauerprozess abzuschließen und das Leben in seiner neuen Qualität wieder voll zu genießen.

Doch auch der natürliche Trauerprozess kann mit professioneller Hilfe nerven- und kräfteschonender bewältigt werden als im Alleingang.

(Auszug aus dem Artikel Nicht alles was wir "Depression" nennen ist eine Depression, erschienen im Jänner 2000 in „ÖTL-Tinnigramm“, Zeitschrift der Österreichischen Tinnitus-Liga) 

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NACHRUF

Lebe wohl, Silvia!

Versöhnung und Enttabuisierung auf dem Sterbebett.

Vor einer Stunde habe ich die Nachricht erhalten, dass eine „meiner“ Klientinnen verstorben ist. Es ist mir ein Anliegen Ihnen / Dir liebe Leserin / lieber Leser eine kurze Geschichte meiner Arbeit mit dieser Frau zu erzählen.

Vorigen Donnerstag wurde ich von einer Sozialarbeiterin ins Krankenhaus gebeten, um eine Krebspatientin im Alter von 44 Jahren zu besuchen. (Als Honorarkraft der Österreichischen Krebshilfe Steiermark, sind mein Haus- und Krankenhausbesuche, sowie Beratungen im Beratungszentrum der Krebshilfe in der Rudol-Hans-Bartsch-Straße 15 - 17, für KrebspatientInnen und deren Angehörige kostenlos.)Auf dem Weg dorthin haben gemischte Gefühle mich bewegt. Ich selbst bin nur um 4 Jahre älter als diese Patientin. Was wird mich erwarten? Ich war vorinfortmiert, dass sie jede schulmedizinische Behandlung verweigert hatte und nun im Terminalstadium war. Ich selbst bin von der komplementären Medizin angetan, aber eine Operation würde ich niemals verweigern.

Das Wechselbad von Gedanken und Gefühlen ging weiter, als ich mein Gespräch mit der Klientin begann. Ich erwartete eine Sterbende. Sie aber strahlte mich an und freute sich über meinen Weinroten Pullover, den sie als Symbol für Heilung deutete.

Silvia war bereits sehr ausgezehrt und das Reden fiel ihr schwer. Dennoch hatte sie ein unglaublich großes Mitteilungsbedürfnis. In knappen 1 ½ Stunden gelang es ihr, die Geschichte ihrer Familie bis zur 4. Generation vor mir auszubreiten. Während sie berichtete, zeichnete ich ihren Stammbaum mit und versuchte dadurch Ordnung in ihre chaotische Ansammlung von Familiengeschichten zu bringen.

Von der Sozialarbeiterin hatte ich erfahren, dass Silvias Verhältnis zur Mutter angespannt ist und dass sie den Vater erst kurz vor seinem Tod kennen gelernt hatte. Silvia erzählte mir, dass sie den tot kranken Vater im Krankenhaus besuchte und er, unmittelbar bei ihrem Eintreten ausrief: „Da schau, die Silvia!“* Worauf hin ich erstaunt feststellte: „Ihr Vater muss sie also aus der Ferne beobachtet haben, dass er sie so schnell erkennen konnte.“ Bei diesem Satz strahlte ihr Gesicht noch mehr: „Sie haben recht! Ja, sie haben recht! Er muss in meiner Nähe gewesen sein. Er hat mich sofort erkannt!“ Die Patientin war viel zu schwach, um das Gespräch, warum sie keinen Kontakt zum Vater haben durfte, obwohl der für sie Alimente zahlte, zu vertiefen.

Bei der Erarbeitung des Stammbaumes kam die Rede auch auf den Bruder von Silvias Großvater mütterlicherseits. Sie berichtete, dass dieser von seinen Schwestern eine Waffe geschenkt bekommen habe. „Er ging damit hinaus und probierte damit herum und plötzlich schoss er sich in die Brust und war tot.“ Im Versuch mir ein Bild von der Szene zu machen, antwortete ich mehr feststellend als fragend: „Er hat also Selbstmord begangen!!?“ Zuerst antwortete Silvia mit einem reflexhaften „Nein“, das aber schnell von einem „Ja“ abgelöst wurde. „Ja, jetzt verstehe ich das. Jetzt weiß ich was damals passiert ist. Das gibt einen Sinn.“ Und wieder strahlte die junge Frau, als hätte ich ihr das größte Geschenk gemacht.

Das Thema Selbstmord war in der Familie streng tabuisiert. Daran durfte man nicht einmal denken. Alle taten so, als wäre es ein Unfall gewesen. Nach diesen und vielen anderen Geschichten war Silvia glücklich aber sehr geschwächt und bat mich eindringlich, wieder zu kommen.

Ich sagte zu ihr: „Schade, dass sie so schwach sind, sie müssten ihre Familiengeschichte aufschreiben. Das wäre ein tolles Filmdrehbuch.“ „Das müssen sie für mich machen, Frau Doktor,“ antwortete Silvia. „Leider, das kann ich nicht,“ sagte ich, „ich kann mir nicht vorstellen, wie es war in ihrer Familie aufzuwachsen. Aber wenn ich wieder komme, werden sie mir noch mehr erzählen.“ Silvia strahlte glücklich und hielt meine Hand. Ich streichelt ihr über den Kopf.

Es war sonderbar: Ich verabschiedete mich von einer tot geweihten Frau und summte ein fröhliches Lied, als ich das Krankenhaus verließ. Das war am Freitag.

Am Samstag wurde Silvia immer stiller und stiller. Am Sonntag sprach sie nicht mehr. Am Montag Nachmittag verstarb sie ruhig um 16 Uhr. Kurze Zeit später begann ich damit, ihren schnell neben her gezeichneten Stammbaum auf schönes Papier zu übertragen, um ihr ein „Bild“ von ihrer Familie am nächsten Tag mit bringen zu können, das sie selbst mit Filzstiften ausmalen sollte.

Heute früh erhielt ich einen Anruf vom Krankenhaus, dass Silvia gestern verstorben ist. Vielleicht hat sich in ihren letzten Stunden noch etwas zum Guten gewendet. Sie wusste zumindest, dass sie ihrem Vater, den sie nie sehen durfte, etwas bedeutete. Und sie durchschaute eine Generationen übergreifende Lüge in ihrer Familie.

Leider kann ich ihren Auftrag, ihre Familiengeschichte zu schreiben nicht erfüllen. Ich habe keine Ahnung, welche Gesetze und Tabus es dort gab, was erlaubt oder was verboten war. Aber es liegt mir viel daran, Ihnen oder Dir liebe Leserin / lieber Leser, von meiner kurzen Begegnung mit Silvia zu berichten und ihr auf diesem Weg ein letztes „Lebe wohl!“ zu sagen.

Herta Scheucher

P.S.: Und mir soll keiner mehr sagen, „für eine Psychotherapie ist es jetzt schon zu spät“. Wenn wir nicht mehr Zeit haben, kann sogar ein einziges Gespräch die Sicht von der Welt noch verändern. Nach dem Motto: „Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit gehabt zu haben.“

© Dr. Herta Scheucher, Rudolf-List-Gasse 45, 8010 Graz, Tel. & Fax: 0316/46 38 74


* Die Klientin möge mir verzeihen, dass ich aus Gründen der Anonymität einen anderen Namen verwenden muss.

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BUCHBESPRECHUNG

Ich sterbe, aber die Erinnerung lebt.
Henning Mankell

Mit einem Memory Book von Christine Aguga

Paul Zsolnay Verlag, Wien 2004

ISBN 3-552-05297-6

Der Reingewinn für den Verkauf dieses Buches geht an Plan International Deutschland e.V., einer Organisation, die mit HIV/AIDS-betroffenen Familien in Uganda arbeitet.

Der schwedische Schriftsteller Henning Mankell ist ein guter Kenner Afrikas und widmet einen großen Teil seiner Zeit dem Kampf gegen AIDS bzw. dessen Folgen. In Uganda unterstützt er das Projekt der Memory Books von Plan International.

Diesem Projekt kommt daher so große Bedeutung zu, weil in Uganda die große Gefahr besteht, dass eine ganze Generation reifer Erwachsener, d. h. die Väter und Mütter der kleinen Kinder durch Aids ausstirbt. Nur die Alten und die ganz jungen bleiben über. Aber auch die ganz jungen Mädchen sind in Gefahr, weil der Aberglaube besagt, dass eine Heilung von Aids möglich wäre, durch den Geschlechtsverkehr mit Jungfrauen. Da man nie sicher wissen kann, ob ein sexuell ausgereiftes Mädchen noch Jungfrau ist, werden immer kleinere Kinder vergewaltigt und ebenfalls infiziert.

Durch die Memory Books erhalten todgeweihte Väter und Mütter die Möglichkeit ihren Nachkommen ihre Familiengeschichte, Berichte über die Familienbräuche und persönliche Erinnerungen und Lebensweisheiten zu überliefern. Über die Memory Books können sie ihrem Kind auch Erinnerungen an seine Geburt, den ersten Schultag und sonstige Lieblingserinnerungen hinterlassen.

Im genannten Buch ist auf ca. 40 Seiten das Memory Book von Aguga Christine, einer afrikanischen Lehrerin abgedruckt, deren Mann und dessen Zweitfrau bereits an AIDS verstorben sind. Sie selbst hat ihre Kinder der Obhut ihrer Eltern anvertraut und versucht ihrer Tochter auf diesem Weg ihr Wissen und ihre Lebenserfahrung zur Verfügung zu stellen.

Der Bericht von Henning Mankell, wie er Christine und deren Tochter Aida kennen lernt, war auch für mich, die ich kein Mankell-Fan bin, sehr berührend. Aida zeigt ihm vertrauensvoll, wie sie an einem heimlichen Ort eine Mangopflanze aufzieht, umzingelt von einer Welt in der alles durch Krankheit, Tod und Trauer bedroht ist.

Darüber hinaus, lässt sich Henning Mankell von den aktuellen Eindrücken in Afrika, immer wieder in seine eigenen Kindheitserinnerungen zurückführen.

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Darstellung der 1. Sterbephase nach Elisabeth Kübler-Ross: NICHT-WAHRHABEN-WOLLEN

Typische Merkmale      Beispiele typischer Äußerungen                Wesentliches für die Begleitung

 

Schock                          Nein, nicht ich!                                           Abwarten

„Verdrängen“                 Ich bin wie gelähmt.                                    Halt geben.

Leugnen                         Ich kann es nicht glauben.                           Für die Einhaltung von Eß-, sowie

Stimmungslabilität Mir nimmt es den Atem.                              Schlaf-Wach-Rhythmen sorgen.

Weinkrämpfe                  Das kann nicht wahr sein.                            Nicht widersprechen.

                                      Ich will davonlaufen.                                   Nicht die Hoffnungsspirale verstärken.

Suche nach dem             Meine Gedanken kreisen nur um die             Gesprächsbereitschaft zeigen.

Strohhalm                      Diagnose.                                                   Geduld haben.

Im Kreis denken.            Ich bin starr vor Schreck.                            Mein Gegenüber versuchen zu verstehen.

                                      Ich bin sprachlos.

                                      Ich fühle mich ohnmächtig.

                                      Ich bin wie in Trance.

Anregung für eine persönliche Auseinandersetzung:

Impulsfrage 1: Wie reagiere ich auf Situationen (Schicksalsschläge) in meinem Leben, die ich nicht persönlich herbeigeführt habe, denen ich mich nicht entziehen kann?

Impulsfrage 2: Was würde ich mir von meinen Mitmenschen wünschen, wenn ich mit der Diagnose einer möglicherweise tödlich verlaufenden Krankheit konfrontiert werde?

Impulsfrage 3: Was könnte mir helfen, um mich in der Sterbebegleitung der Phase des nicht-wahrhaben-wollens, und der emotionalen Instabilität bei meinem Gegenüber öffnen zu können?

Darstellung der 2. Sterbephase nach Elisabeth Kübler-Ross: AUFLEHNUNG

Typische Merkmale      Beispiele typischer Äusserungen               Wesentliches für die Begleitung

Wut                               Warum ich?                                                Vorwürfe und Abwertungen nicht persönlich nehmen.

Zorn                              Meine Wut ist grenzenlos.                           Verständnisvolle Zuwendung – trotzdem!

Hass                              Alles geht mir auf die Nerven!                      Nicht werten. Aktives Zuhören.

Nörgeln                          Warum ist Gott so ungerecht?                     Nicht allein lassen. Zuwendung – gerade jetzt!

Kritisieren                       Warum habe ausgerechnet ich so ein Pech? Negatives nicht in sich einlassen – trotzdem da           

Selbstanklage                 Ich würde am liebsten alles zerstören, Gott sein.   Abgrenzen!                                      

Verbitterung                   und die Welt und mich selbst!                     Gesprächsbasis aufrechterhalten.
Ich werde es ihnen schon noch zeigen!        Zuwendung statt Isolation – gerade jetzt!                   .

                                      Ich traue keinem mehr!                                Zornausbrüche nicht verurteilen.

                                      Ich werde mich an keine Vorschriften          Sich nicht in den Problemen des Patienten verfangen.

                                      halten! Ich werde tun was mir                      Wünsche wahrnehmen.

                                      passt – jetzt erst recht!                                Gesagtes ernst nehmen aber nicht persönlich nehmen.

 

Anregung für eine persönliche Auseinandersetzung

Impulsfrage 1: Wie reagiere ich auf eine für mich gefährliche Lebenssituation? Neige ich dazu, mich und mein Verhalten zu verurteilen (Selbstbeschuldigung) oder tendiere ich eher dazu, anderen die Schuld zu geben (Sündenbock-Suche)?

Impulsfrage 2: Neige ich dazu, Gefühle der Wut und des Zorns offen zu zeigen und auszuleben oder spielen sich die seelischen Kämpfe eher in meinem Inneren ab? (Überprüfen sie es an konkreten Beispielen!)

Impulsfrage 3: Welche Gefühle, Gedanken und Reaktionsweisen lösen negative Gefühlsregungen, Zornausbrüche und Aggressionen anderer Menschen in mir aus?

Darstellung der 3. Sterbephase nach Elisabeth Kübler-Ross: VERHANDELN

Typische Merkmale      Beispiele typischer Äusserungen               Wesentliches für die Begleitung

Hoffnungsvoll                Ja, es trifft mich, aber …                             Hoffnung lassen, jedoch keine unrealistischen

Kooperativ                     Wenn Gott mich noch ein Jahr                    Illusionen wecken.

Aktiv                              leben lässt, erbt alles die Kirche.                  Strategien und Inhalte des Verhandelns nicht

Umgänglich                    Ich nehme alle Behandlungen auf mich,        bewerten.

                                      wenn ich nur so lange lebe, bis meine           Wortbrüchigkeit nicht persönlich nehmen.

                                      Kinder versorgt sind.                                  Sensibel sein für die raschen Umschwünge.                         

                                      Ich werde alles tun was die Ärzte wollen,     Stimmung heben. Abgrenzen.
wenn ich am Wochenende nach Hause        Behandlungsalternativen unterstützen.
gehen darf.                                                 Alle Äußerungen ernst nehmen, nichts belächeln.

                                      Ich werde mich an alle Vorschriften             Den Patienten mit der „objektiven Wahrheit“ nicht
                                      halten, wenn ich noch einen Sommer lang    überfordern.

                                      leben darf.                                                  Positive Stimmungen unterstützen.

                                                                                    

Anregung für eine persönliche Auseinandersetzung

Impulsfrage 1: Welche Verhandlungsstrategien sind mir aus meinem Leben bekannt? Welche konkreten Maßnahmen, Verzichte, Einschränkungen etc., bin ich bereit in die Waagschale zu werfen, um mein Ziel zu erreichen? (Konkrete Beispiele)

Impulsfrage 2: Stell dir vor, ein Patient hat die Erlaubnis für einen Spaziergang mit dir bekommen. Du hast dich sehr dafür eingesetzt. Der Patient gibt sich aber mit einem Spaziergang nicht zufrieden. Wie reagierst du? Wie gehst du mit seiner Wortbrüchigkeit um?

Impulsfrage 3: Ein Mensch hält nicht, was er versprochen hat. Welche Gefühle und Gedanken löst das in dir aus? Wie reagierst du? Welche Konsequenzen hat das für die Beziehung zu diesem Menschen?

Darstellung der 4. Sterbephase nach Elisabeth Kübler-Ross: DEPRESSION

Typische Merkmale      Beispiele typischer Äußerungen                Wesentliches für die Begleitung

Trauer, Tränen               Ja, ich.                                                       Tränen und Trauer zulassen.

Rückzug                        Ich schaue zurück. Es wird mir bewusst,     Nicht ablenken, nicht vertrösten.

depressive                      was alles nicht mehr sein kann.                    Körperkontakt. Da-Sein. Ruhe und Geduld.

Erstarrung                      Ein riesiger Tränensee ist in mir.                  Zeit für Gespräche und stilles Dabeisein anbieten.

Angst                             Ich möchte mit meinem Gewissen ins          Verständnis aufbringen, dass es traurig ist, alles hinter

Sinnfrage                        Reine kommen.                                           sich zu lassen.                        

Lebensbilanz                  Meine Gedanken kreisen um alles, was        Keine Wertung der Lebensbilanz.
ich in meinem Leben unterlassen habe.         Hilfestellung bei Dingen, die noch erledigt werden
Ich habe Angst vor dem, was auf mich        können (Aussprachen, Testament, Priester etc.)

zukommt.                                                   Es macht mich hilflos, dem Tod ins Gesicht zu
Ich habe keine Zukunft mehr.                      schauen.

                                      Ich möchte meine Glaubensfragen               Respekt vor der individuellen Form des Abschied-

                                      klären.                                                        nehmens.

Anregung für eine persönliche Auseinandersetzung

Impulsfrage 1: Wieviele Abschiede hat es in meinem Leben schon gegeben, und wie habe ich sie gestaltet? („Meine persönliche Abschiedsgeschichte“)

Impulsfrage 2: Wenn ich auf mein Leben zurück schaue und die einzelnen Jahre an mir vorbeiziehen lasse: Was hat mein Leben bereichert, woran konnte ich mich freuen, welche positiven Ereignisse haben mich geprägt? („Bilanz meiner Freuden“)

Impulsfrage 3: Ich stelle mir vor, mein Leben neigt sich dem Ende zu. Ich ziehe Bilanz und überlege mir, welches Bild von mir, welche Eigenschaften, Handlungen und Erlebnisse der Nachwelt erhalten bleiben sollen. („Verfassen eines ‚eigenen’ Testaments“)

Darstellung der 5. Sterbephase nach Elisabeth Kübler-Ross: ANNAHME – EINWILLIGUNG - ZUSTIMMUNG

Typische Merkmale      Beispiele typischer Äußerungen                Wesentliches für die Begleitung

Friedlicher                      Ja, ich!                                                       Letzte Wünsche und Anweisungen festhalten.

Zustand                          Ich mache mir um das Morgen keine            Zeit schenken.

Erschöpfung                  Sorgen mehr.                                              Rückzug (= loslassen sozialer Bindungen) akzeptieren. 
Gelöstheit                       Ich möchte die verbleibende Zeit                 Körperkontakt (Hand halten, Berührungen zulassen)
große Sensibilität            ohne Kampf und Schmerzen erleben.           Mit großem Einfühlungsvermögen „DA SEIN“

gesteigertes                    Ich möchte keine Besuche mehr haben.        Begegnung als Mitmensch.        
Selbstvertrauen               Ich empfinde eine heitere Gelassenheit.        Auf Wünsche eingehen (z.B. religiöser Beistand)

                                      Ich wünsche mir einen Menschen,               Einbeziehen der Bezugspersonen

                                      der still bei mir ist.                                      Begegnung als Mitmensch.
Ich möchte nicht in Vergessenheit               Wissen um die besondere Sensibilität des Sterbenden.
geraten.
Der Tod ist nicht mehr mein Feind,
er ist mein Lehrmeister.                                                 

Anregung für eine persönliche Auseinandersetzung:

Impulsfrage 1: Welche Vorstellungen und Wünsche habe ich, wenn ich an mein eigenes Sterben denke? Welche äußeren Bedingungen wünsche ich mir, und welche Menschen möchte ich in der letzten Phase meines Lebens bei mir haben?

Impulsfrage 2: Wenn ich an mein Sterben, an meinen Tod denke: Was macht mir Angst und welche Möglichkeiten habe ich, mit dieser Angst fertig zu werden?

Impulsfrage 3: In der Begleitung von Sterbenden kommt es nicht nur auf meine fachliche Kompetenz an, sondern gerade auch auf meine menschlichen Qualitäten. Wo liegen meine Stärken, was kann ich besonders gut in der Begleitung schwerkranker Menschen? 

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Darstellung der 1. Trauerphase nach Verena Kast: NICHT-WAHRHABEN-WOLLEN

Typische Gefühle           Typische Äußerungen                              Körperlich/seelische Reaktionen

Leere                               „Das ist nicht möglich.“                                      Schockzustand: Veränderter Pulsschlag, Herzrasen

Hohlheit                         „Ich fühle mich verloren.“                            Schweißausbrüche

Unwirklichkeit                „Ich fühle mich in der Schwebe.“                 Übelkeit, Erbrechen       
Empfindungslosig-          „Alles ist so unwirklich.“                             Motorische (körperliche) Unruhe
keit                                  „Nein, das kann nicht wahr sein.“               Verzögerte Reaktionen

Überwältigt-Sein             „Es muss sich um einen Irrtum                    Bewegungslosigkeit, Starre                            
Betäubung                       handeln.“                                                       Sprachlosigkeit
                                                                                                               Kontaktverweigerung
                                                                                                       Verwirrung, Desinteresse                                                             

Anregung für BegleiterInnen:

-         Alltägliche Besorgungen übernehmen.

-         Für das Aufrechterhalten des Tagesrhythmus’ sorgen (Aufstehen, Anziehen, Essen, Ausgehen, Ruhen, Arbeiten…..)

-         Trauernde dort unterstützen, wo sie überfordert sind.

-         Hilfestellungen bei Regelungen, die im Zusammenhang mit dem Todesfall stehen.

-         Trauernde nicht allein lassen.

-         Trauernde in ihren Reaktionen nicht bevormunden.

-         Da-Sein, ohne viel zu fragen.

Quelle: „Zeit des Abschieds.  Sterbe- und Trauerbegleitung“ Monika Specht-Tomann, Doris Tropper, Patmos Verlag Düsseldorf, 1998

Seminarunterlage 2004:

Dr. Herta Scheucher, Psychologin, Psychotherapeutin, Supervisorin, Rudolf-List-Gasse 45, 8010 Graz, Tel.:0316/ 46 38 74                                                                                                                                                                            

Darstellung der 2. Trauerphase nach Verena Kast: AUFBRECHENDE EMOTIONEN

Typische Gefühle           Typische Äußerungen                              Körperlich/seelische Reaktionen

Wut                                 „Wie konntest du mir das antun?“                 Reizbarkeit, Depression, Apathie

Ohnmacht                      „Warum hat sie mich allein zurück               Desinteresse

Zorn                               gelassen?“                                                 Panikattacken, Herzrasen
Traurigkeit                      „Nun muss sie nicht mehr leiden.“               Brustbeklemmungen
Freude                           „Die Ärzte sind an allem schuld.“                Kurzatmigkeit, Atemnot 

Angst                             „Hätte ich ihn nicht allein gelassen.“           Stimmungslabilität                  
Schuldgefühle                 „Hätte ich mehr für ihn getan, wäre              Anklage – Idealisieren
                                      er nicht tot.“                                                 Konzentrationsstörungen

                                      „Mein Schmerz wird immer größer.“            Appetitmangel, Schlafstörungen                                                               

Anregung für BegleiterInnen:

-          Gefühlsausbrüche können heilsam sein und sollten nicht als Störungen verstanden werden.

-          Wut, Zorn gehören ebenso zur Trauer wie depressive Verstimmungen.

-         Von ungelösten Problemen, Schuldgefühlen und Konflikten nicht ablenken.

-         Ablenken ist selten hilfreich sondern unterstützt das Verdrängen und verzögert den Trauerprozess.

-         Probleme aussprechen lassen.

-         Schuldgefühle nicht ausreden. Da-Sein, Zuhören. Keine wertenden Stellungnahmen abgeben.

-         Am Erleben und Erinnern des Trauernden anteilnehmen.

-         Anregungen für alltägliche Erleichterungen geben (z.B. Tagebuchschreiben, Spazierengehen, Entspannungsübungen etc.)

Quelle: „Zeit des Abschieds.  Sterbe- und Trauerbegleitung“ Monika Specht-Tomann, Doris Tropper, Patmos Verlag Düsseldorf, 1998

Seminarunterlage 2004:

Dr. Herta Scheucher, Psychologin, Psychotherapeutin, Supervisorin, Rudolf-List-Gasse 45, 8010 Graz, Tel.:0316/ 46 38 74        

Darstellung der 3. Trauerphase nach Verena Kast: SUCHEN UND SICH-TRENNEN

Typische Gefühle           Typische Äußerungen                              Körperlich/seelische Reaktionen

Einsamkeit                      „Ich glaube, sie im Garten zu sehen.“           Depressive Zustände

Verzweiflung                  „Um 6 Uhr glaube ich, er kommt heim.“      Suizidale Gedanken

Unverständnis                „Nachts glaube ich, sie ist bei mir.“              Intensive Träume
Minderwertigkeits- „Niemand kann mich wirklich verstehen.“    Zeitweiser Realitätsverlust
gefühle                           „Ich sehe überall Menschen, die ihm            Suchverhalten 

Hilflosigkeit                    ähnlich sehen.“                                           Lautes Reden mit dem Toten
Freude                            „Ich suche sie überall.“                               Innere Zwiegespräche
Dankbarkeit                    „Das hätte er auch so gemacht …“               Phasenweise: überaktiv - apathisch

Unruhe                           „Wie lang muss ich noch leben?“                Immer wieder: Suchen – Finden – Trennen
Identifikation                  „Er hat mein ganzes Leben bestimmt.“                                                               

Anregung für BegleiterInnen:

-         Alle Erlebnisse der Vergangenheit dürfen angesprochen werden – keine Zensur vornehmen.

-         Akzeptieren, dass immer wieder in verschiedenen Formen „gesucht“ wird.

-         Geduld. Zeit lassen.

-          Zuhören, auch wenn man die Geschichten (so oder auch anders) schon kennt.

-         Gefühle ernst nehmen, die durch Erinnerungen und Erzählungen wieder auftauchen.

-         Phantasien zulassen, die den Tod des Verstorbenen bezweifeln – ohne selbst mitzuphantasieren.

-         Bei Selbstmordgedanken kontinuierlich begleiten. - Kein Drängen auf akzeptieren des Verlustes.

-         Unterstützung bei Ansätzen der Neuorientierung.

Quelle: „Zeit des Abschieds.  Sterbe- und Trauerbegleitung“ Monika Specht-Tomann, Doris Tropper, Patmos Verlag Düsseldorf, 1998

Seminarunterlage 2004:

Dr. Herta Scheucher, Psychologin, Psychotherapeutin, Supervisorin, Rudolf-List-Gasse 45, 8010 Graz, Tel.:0316/ 46 38 74                                                                                                                                                                     c:Seminar-Inhalte/3.Trauerphase          

Darstellung der 4. Trauerphase nach Verena Kast: NEUER SELBST- UND WELTBEZUG

Typische Gefühle           Typische Äußerungen                              Körperlich/seelische Reaktionen

Glück                               „Endlich ist das Chaos zu Ende.“                 Normalisierung veränderter Körperfunktionen

Freude                           „Ich fange neu an.“                                     Orientierungsschwierigkeiten

Selbstständigkeit             „Ich bin stolz das gemeistert zu haben.“       Anfälligkeit für Rückfälle
Befreiung                       „Mein Leben hat wieder Sinn.“                    Labile Stimmungslage

Selbstachtung                 „Ich fühle mich befreit.“                              Überreaktion auf jede Form von Verlust

Erleichterung                  „Er ist mein innerer Begleiter.“                    Änderung der Selbst- und Fremdbilder

Freiheit                           „Ich verstehe jetzt mehr vom Leben…“      

Anregung für BegleiterInnen:

-         Dafür sorgen, dass der Trauernde auch den Begleiter loslassen kann.

-         Akzeptieren, in der bisherigen Form nicht mehr gebraucht zu werden.

-         An der Situation der Hilflosigkeit des Trauernden nicht festhalten.

-         Eigene „Bedürftigkeit“, helfen zu müssen überprüfen (Helfer-Syndrom!!!)

-         Veränderungen im Beziehungsnetz des Trauernden begrüßen und unterstützen.

-         Neues akzeptieren.

-         Sensibel bleiben für mögliche Rückfälle.

-         Gemeinsam Formen suchen, die Trauerbegleitung behutsam zu beenden oder umzugestalten.

Quelle: „Zeit des Abschieds.  Sterbe- und Trauerbegleitung“ Monika Specht-Tomann, Doris Tropper, Patmos Verlag Düsseldorf, 1998

Seminarunterlage 2004:

Dr. Herta Scheucher, Psychologin, Psychotherapeutin, Supervisorin, Rudolf-List-Gasse 45, 8010 Graz, Tel.:0316/ 46 38 74                                                                                                                                                                   

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